Kinder loben

Lob, Ermutigung und Anerkennung… aber wie?

Dieses Thema ist nicht neu für uns Eltern – wir alle loben unser Kind, meist spontan und ohne gross darüber nachzudenken. Dennoch tauchen während meiner Elternberatungen immer wieder Fragen zum Thema Lob auf:

  • Kann ich mein Kind auch zuviel loben und verwöhne es damit vielleicht zu sehr?
  • Wie genau sollte ein sinnvolles Lob, eine zielgerichtete Ermutigung formuliert werden?
  • Wofür sollte ich mein Kind besonders loben, wofür vielleicht weniger?

Gehen wir zuerst auf die Frage ein, wieviel Lob denn angemessen ist. Auf der einen Seite haben wir Misserfolge, Kritik, Entmutigung. Je mehr Kritik ein Kind nun erhält, je mehr Misserfolge es einstecken muss, je mehr es sich anstrengen muss um Erfolge zu erzielen, desto mehr müssen wir Erwachsene darauf achten, dass wir all dem etwas entgegensetzen können. Versuchen Sie, Ihrem Kind mit Lob und Ermutigung seine Stärken aufzuzeigen und auch die noch so kleinen Erfolge sichtbar zu machen. Nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Qualität des Lobes spielt eine grosse Rolle: Lob sollte ehrlich gemeint sein und echt sein, damit es den gewünschten Effekt erzielt. Manchmal ist unsere «Messlatte» aus der Erwachsenenperspektive einfach zu hoch angesetzt und wir sollten versuchen, diese den Fähigkeiten des Kindes anzupassen. Damit sich Lob nicht «abnutzt», sollte es abwechslungsreich und konkret sein. Mit «allgemeinem Lob» können Sie grundsätzlich nichts falsch machen, und es wirkt positiv auf das Selbstwertgefühl des Kindes. Möchten sie jedoch ein bestimmtes Verhalten im Kind aktivieren, wie beispielsweise bei Schwierigkeiten nicht gleich aufzugeben oder selbständig die Hausaufgaben zu erledigen, ist das «gezielte Lob» besonders wirksam:

Nehmen wir mal an, ein Kind gibt bei Schwierigkeiten rasch auf. Als Eltern wünschen wir uns jedoch, dass das Kind dranbleibt und mehr Durchhaltewille entwickelt. Nun können wir uns überlegen, wie wir unser Kind ermutigen und gezielt für seinen Durchhaltewillen loben können:

  • Das war wirklich eine schwierige Aufgabe – ich finds toll, hast Du es nochmals versucht!
  • Auch wenn es schwierig wird, bleibst Du schon länger dran als früher, merkst Du den Unterschied auch?
  • Ich weiss dass Du Französisch nicht magst und freue mich umso mehr, dass Du trotzdem dranbleibst mit Lernen und nicht aufgibst!

Oder ein anschauliches Beispiel zur Selbständigkeit: eine Mutter erzählte mir in einem Seminar, dass ihre Tochter die Hausaufgaben einfach nicht selbständig erledige, obwohl sie doch eigentlich dazu fähig wäre. Es äussere sich so, dass die Tochter sie während der Hausaufgaben dauernd um Hilfe bitte, es aber klar sei, dass sie diese gar nicht benötigen würde. Sie verstehe das Verhalten der Tochter einfach nicht. Sie achte sogar darauf, ganz still zu sein während der Hausaufgabenzeit – also beispielsweise keine Abwaschmaschine auszuräumen, um die Konzentration der Tochter nicht zu stören. Fakt ist, dass sich die Tochter genau dadurch ignoriert fühlt und deshalb übertrieben oft um Hilfe bittet. Denn wenn die Tochter selbständig am Arbeiten war, bekam sie ja keine Aufmerksamkeit der Mutter – also hat sie sich diese wieder geholt, indem sie ständig etwas fragte.

Anstatt möglichst still und unsichtbar zu sein, hat die Mutter nun Folgendes ausprobiert, um gezielt die Selbständigkeit ihrer Tochter zu loben:

  • Jetzt bist du aber schon sehr weit alleine gekommen.
  • Toll, dass du so selbständig arbeitest, so habe ich nachher Zeit für ein Spiel.
  • Was meinst du, willst du die nächsten zwei Rechenaufgaben einmal alleine versuchen? Ich glaube, du kannst das.
  • Also dass du sogar diese schwierigen Aufgaben alleine kannst, hätte ich nicht gedacht.
  • Das ist doch nicht schlimm, wenn ein paar falsch sind. Mir ist es wichtiger, das du es selbst versucht hast.

Zu Beginn ist es gar nicht so einfach, wirklich gezielt die Fähigkeit zu loben, die wir im Kind fördern möchten. Wir sind uns in der Regel gewohnt, meist «nur» allgemein zu loben. Als Starthilfe können Sie sich einige Beispielssätze wie oben auf Kärtchen schreiben, dem jeweiligen Thema Ihres Kindes angepasst. Mit der Zeit benötigen Sie diese Hilfe nicht mehr und gewöhnen sich daran, gezielt zu loben. Dazu braucht es jedoch schon ein bisschen Uebung, damit es auch effizient wirken kann.

Mit gezieltem Lob teilen wir unserem Kind auf unterschiedliche Art und Weise mit, was genau uns freut und was genau wir gut finden. Wir sollten darauf achten, dass wir das Kind für etwas loben, das es gezielt beeinflussen kann. Loben wir beispielsweise seine Anstrengung, gibt dies dem Kind das Gefühl, dass es tatsächlich besser werden kann wenn es übt. Gezieltes Lob reduziert die Hilflosigkeit, das Kind zeigt generell mehr Beharrlichkeit, Ausdauer und erholt sich rascher von Misserfolgen. Das Kind fühlt sich stets wie kompetenter, mit Herausforderungen umzugehen.

Problematisch kann es hingegen werden, wenn wir das Kind immer für seine Begabungen loben. Wenn wir ihm sagen, wie intelligent und talentiert es ist. Wir teilen dem Kind so indirekt mit, dass Leistung mit Begabung zu tun hat und sozusagen ein angeborenes Talent ist. Entweder man hat es, oder hat es eben nicht. Bei manchen Kindern löst dies Resignation und Furcht aus, Fehler zu machen. Bei andern führt es dazu, dass sie sich auf ihren Erfolgen ausruhen und keinen Grund sehen, sich weiter anzustrengen.

Versuchen Sie ebenfalls zu unterlassen, Ihr Kind mit anderen Kindern zu vergleichen. Fakt ist, dass gute Schüler normalerweise viel Lob erhalten – manchmal für sehr wenig Anstrengung. Schlechtere Schüler erhalten viel Kritik und frustrierende Rückmeldungen – sie bräuchten unbedingt mehr gezieltes Lob für ihre Anstrengungen. Sollte Ihr Kind zu den «schlechteren Schülern» gehören, ist es umso wichtiger zu vermeiden, es mit den «besseren Schülern» zu vergleichen. Geben Sie stattdessen positive Rückmeldungen wie «seit wir regelmässig zusammen lesen, wirst du besser». Als Bezugsperson sollten Sie auch die noch so kleinen Fortschritte aufzeigen, egal ob die Note besser ausfällt oder nicht.


Hilfreiche Merkpunkte:

  • Mindestens fünfmal mehr Lob als Kritik.
  • Erwartungen an die Fähigkeiten des Kindes anpassen.
  • Spezifisches, gezieltes Lob ist wirksamer.
  • Loben Sie die Anstrengung, nicht die Begabung.