Beharrliche und hilflose Kinder

Günstige Reaktionen bei Erfolg und Misserfolg…

Warum reagieren nicht alle Kinder gleich bei Misserfolgen? Es gibt welche, die hilflos reagieren und schnell resignieren und andere, die von Misserfolgen sozusagen angespornt werden. Für Sie als Eltern ist es hilfreich zu wissen, in welche «Sparte» Ihr Kind gehört, damit Sie angemessen darauf reagieren können.

Carol Dweck, Professorin für Psychologie, deren primäre Forschungsinteressen der Motivation, Persönlichkeit und Entwicklung gelten, hat Folgendes herausgefunden:

  • Manche Kinder lassen sich auf schwierige Aufgaben ein, andere vermeiden sie.
  • Einige Kinder geben nach Misserfolgen auf und zeigen Hilflosigkeit.
  • Einige Kinder bleiben nach Misserfolgen gleich leistungsfähig oder steigern sogar ihre Leistung.

Worin unterscheiden sich diese Kinder?

Vereinfacht ausgedrückt, beziehen jene Kinder die schnell aufgeben den Misserfolg auf sich selbst. In der Psychologie wird dies «Statisches Selbstkonzept» genannt: Wie der Name bereits sagt – statisch – man bewegt sich nicht, verharrt, bleibt auf der Stelle stehen. Jene Kinder denken über sich: «Ich bin eh zu blöd dazu… / Das schaffe ich sowieso nicht… / So bin ich halt… / Entweder man kann es oder eben nicht… / Uebung bringt eh nichts…»

Die Kinder mit dem «statischen Selbstkonzept» führen Leistung auf Begabung und Intelligenz zurück. Mit diesem Selbstbild können sie fast nur verlieren, weil sie dadurch zum Teil ausgeprägtes Vermeideverhalten und Resignation zeigen und folglich nicht von der Stelle kommen.

Jene Kinder, die nicht so schnell aufgeben realisieren zwar auch, dass sie dieses oder jenes noch nicht können, denken aber eher über sich: «OK, das hat (noch) nicht geklappt, ich kann aber versuchen, es zu lernen.» Im Sinne von «was noch nicht ist, kann noch werden.» In der Psychologie wird dies «Dynamisches Selbstkonzept» genannt: Wie der Name auch hier sagt – dynamisch – man bewegt sich, kann sich als Mensch verändern und entwickeln. Dieses Selbstbild wirkt anspornend, nach einem Misserfolg denkt das Kind dann eher etwas wie: «Jetzt erst recht!» und stellt sich der Herausforderung auf ein Neues. Dem Kind ist bewusst, dass man sich Kompetenzen und Wissen durch Uebung erwirbt. Auch wenn es schwierig ist, weiss das Kind, dass es nicht gleich alles von heute auf morgen können muss und in seinem Tempo lernen darf. Das Kind hat den Glauben, dass sich Anstrengung und Einsatz lohnen.

Anmerkung: Das «Statische Selbstkonzept» wird oft von Bezugspersonen abgeschaut und übernommen. Wenn die Bezugspersonen ihr eigenes Verhalten / ihre eigene Einstellung verändern, ist dies das beste Modellverhalten, welches dem Kind vorgelebt werden kann.

 

Da die Kinder einen grossen Teil ihrer Zeit in der Schule verbringen, hat der Lernerfolg einen grossen Einfluss auf das Selbstbild / den Selbstwert des Kindes. Sehen wir uns genauer an, welche Einflüsse da alles zusammenkommen:

Die ersten drei Sparten können beim Kind Gefühle der Hilflosigkeit auslösen, da es aus seiner Sicht keinen oder nur geringen Einfluss darauf hat. Wenn es beispielsweise den Lehrer doof findet, ist dies gleichzeitig ein Selbstwertschutz, im Sinne von: «Ich kann nichts dafür, dass ich bei dem doofen Lehrer nichts lerne, der erklärt alles so schlecht». Oder bei den äusseren veränderbaren Umständen, vielleicht auf einen Test bezogen: «Es war klar, dass ich unter diesen Umständen versage – ich hatte zu wenig Lernzeit, und dann kam noch Pech bei der Aufgabenstellung und Ablenkung durch Unruhe im Klassenzimmer hinzu». Am erstaunlichsten finde ich jedoch, was ich oft auch schon von wirklich jungen Kindern höre punkto der inneren unveränderbaren Umstände: «Ich bin einfach nicht begabt in Mathe… / Mein Vater war in Deutsch auch schon schlecht, ich habe da wohl seine Gene geerbt… / Ich begreife es einfach nicht…». Mit dieser Einstellung ist es verständlicherweise fast unmöglich, das Kind zum Lernen motivieren zu können, weil es nicht daran glaubt, damit etwas bewirken zu können resp. Lernfortschritte zu erzielen.

Wo Sie als Bezugspersonen ansetzen können, ja eigentlich müssen, ist bei den inneren veränderbaren Umständen. Nur wenn das Kind das Gefühl hat, dass die Situation veränderbar ist resp. dass es sich entwickeln kann, wird es auch bereit sein, mehr zu Lernen.

Was Sie als Eltern und Lehrpersonen konkret dazu beitragen können:

Richten Sie Ihren Fokus auf die Anstrengung und Bemühungen des Kindes. Versuchen Sie, selbst die kleinsten Fortschritte zu sehen und – ganz wichtig – machen Sie dem Kind seine dafür eingesetzten Strategien bewusst, so dass es seine Verbesserung auch tatsächlich auf die eigene Anstrengung zurückführt und nicht denkt, es sei womöglich ein glücklicher Zufall gewesen, dass seine Note besser ausfiel. Hilfreich ist oft auch die Form der Fragestellung: «Wie hast Du das gemacht?» Und danach gezielt die Faktoren der inneren veränderbaren Umstände loben wie die Anstrengung, die (vielleicht neue?) Lerntechnik, die Zeit, welche das Kind investiert hat, damit eine Verbesserung überhaupt möglich wurde. Solche Rückmeldungen bauen das Selbstvertrauen enorm auf. Selbstverständlich dürfen immer auch positive Emotionen wie Freude und Stolz ausgedrückt werden, egal wie gross oder klein die Fortschritte sind.


Günstige Erklärungen bei Erfolg:

  • Du hast in letzter Zeit gut aufgepasst.
  • Du hast Dir Mühe gegeben.
  • Du hast Dich früh genug vorbereitet.
  • Du hast Deine Lernstrategien verbessert.

 


Nicht immer ist gleich alles von Erfolg gekrönt – oft braucht es viel Zeit und Geduld, bis sich Fortschritte bemerkbar machen. Bei Misserfolgen ist es äusserst wichtig, das Kind zuerst aufzufangen und ihm zu vermitteln, dass Ihre Beziehung zu ihm leistungsunabhängig und positiv ist. Danach können Sie den Blick auf die Zukunft richten und veränderbare Faktoren ansprechen.

Günstige Erklärungen bei Misserfolg:

  • Was willst Du beim nächsten Mal anders machen?
  • Ich glaube, wenn Du etwas früher anfängst, wärst Du besser.
  • Du könntest Dich verbessern, wenn Du…

Einfach darauf achten, dass Sie nicht «belehrend» wirken, sonst besteht das Risiko, dass sich das Kind verschliesst. Nehmen sie auf positive und konstruktive Art die Selbstwirksamkeit Ihres Kindes in den Fokus!